Dieser außergewöhnliche Nachmittag wird ANJA lange in Erinnerung
bleiben.
Mit ihren Eltern hat sie die prächtige Schallerburg besucht, die
auf
einem bewaldeten Hügel steht.
ANJA hat die weiträumige Burganlage mit ihren hohen Mauern und
mächtigen Türmen bewundert. Zum Abschluss ist sie mit ihren
Eltern
über eine schmale Holztreppe auf den Aussichtsturm geklettert,
von
dem aus man einen fantastischen Überblick über die Landschaft
rund
um die Burg hat.
Nun schläft ANJA zufrieden in ihrem Bett und träumt von einem
tollkühnen Abenteuer, das sie zusammen mit ANTON in einer längst
vergangenen Zeit erlebt. Im Zeitalter der Ritter.
Nach einer langen Wanderung aus dem Tal bis hinauf auf die
Anhöhe
erreichen ANJA und ANTON am frühen Abend endlich ihr Ziel.
Die Dämmerung ist bereits angebrochen, als sie den Wald
verlassen und
vor sich die beeindruckenden Umrisse der berühmten Schallerburg
erkennen.
ANJA und ANTON nähern sich dem tiefen Wassergraben, der die
Außenmauern der Burg schützend umgibt.
"Was wollt ihr hier?", ruft plötzlich eine donnernde Stimme.
Erschrocken zucken ANJA und ANTON zusammen.
Dann sehen sie den Wachposten, der in seiner glänzenden
Ritterrüstung
auf einem Turm neben dem verschlossenen Eingangstor steht.
"Wir sind zwei friedliche Wanderer, die für die Nacht ein
sicheres
Quartier suchen!", ruft ANJA dem Wachposten zu. "Könntet ihr uns
in
eurer Burg Unterkunft gewähren?"
Der Ritter sieht sich die beiden Fremden von Kopf bis Fuß an.
"Ihr seid nicht bewaffnet?", fragt er argwöhnisch.
ANJA und ANTON schütteln die Köpfe.
"Na gut", sagt der Wachposten. "Dann will ich mal nicht so
sein!"
Zusammen mit einem anderen Ritter, der inzwischen auf dem
zweiten
Turm am Eingang aufgetaucht ist, lässt er die Zugbrücke
herunter.
Die Ketten rasseln lautstark, als die schwere Zugbrücke aus Holz
von
den beiden Rittern langsam heruntergelassen wird.
Nun haben ANJA und ANTON keine Schwierigkeiten, den tiefen
Wassergraben sicher zu überqueren.
Bevor sie allerdings Schallerburg betreten können, muss zunächst
noch
ein weiteres großes Tor geöffnet werden.
Es quietscht und knarrt mächtig, als ein Flügel der hohen Tür
von einem
kräftigen Ritter zurückgezogen wird.
"Oje!", stöhnt ANJA und hält sich die Ohren zu.
Dann endlich ist für ANJA und ANTON der Weg ins Innere der Burg
frei.
Als
ANJA und ANTON durch das Tor gehen, bietet sich ihnen ein
beeindruckender Anblick. Vor ihnen erstreckt sich der weite
Innenhof
der Burg.
"Unglaublich!", seufzt ANJA staunend, als ihr Blick über die
zahlreichen
Steinhäuser und Stallungen schweift.
Da der Tag langsam zu Ende geht, sind einige Ritter damit
beschäftigt,
ihre Pferde in die Ställe zu führen, wo sie noch einmal
gefüttert werden.
Rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit werden Pechfackeln
entlang der
Innenmauern entzündet.
Zum Schutz vor Feinden wird das Tor wieder geschlossen, dann
hören
ANJA und ANTON, wie die Zugbrücke von den Wachposten wieder
hochgezogen wird.
Nachdem er von dem Eintreffen der Fremden erfahren hat, verlässt
der
Burgherr Jonas sein Wohnhaus und kommt auf ANJA und ANTON zu.
"Willkommen auf Schallerburg!", begrüßt er sie mit tiefer
Stimme.
"Nach eurem langen Marsch seid ihr bestimmt ganz schön hungrig
und
durstig, was?"
ANJA nickt. "Es ist sehr großzügig von euch, uns in eurer Burg
Unterkunft zu gewähren. Dafür möchten wir uns herzlich
bedanken."
Der Burgherr Jonas winkt ab. "Das ist doch nichts Besonderes!
Ihr
kommt gerade rechtzeitig zu einem schmackhaften Nachtmahl. Folgt
mir, ich führe euch in den Speisesaal!"
Zusammen mit dem Burgherrn Jonas gehen ANJA und ANTON in den
großen Speisesaal seines Hauses.
Die lange Tafel ist bereits gedeckt. Brennende Kerzen in
silbernen
Leuchtern erhellen den Raum, kostbare Teller und Becher aus
Metall
stehen auf dem breiten Holztisch.
"Ihr werdet neben mir Platz nehmen!", sagt der Burgherr Jonas
und
zeigt auf zwei Stühle mit hohen Holzlehnen.
Nachdem sich ANJA und ANTON gesetzt haben, schauen sie sich mit
großen Augen im Saal um. Sie bewundern die breiten Wandteppiche
und die funkelnden Ritterrüstungen, die an einer der Wände
aufgestellt wurden.
Nachdem inzwischen auch die anderen Ritter eingetroffen sind,
kann
der Schmaus beginnen.
Auf großen Silberplatten bringen die Diener herrliche Speisen in
den
Saal, Wildgerichte, geröstete Kastanien, Pilze, verschiedene
Früchte
des Waldes und frisch gebackenes Brot.
"Nun, schmeckt es euch?", fragt der Burgherr Jonas während des
Essens.
"Das Nachtmahl ist vorzüglich!", antwortet ANJA lobend. "Euer
Koch
ist ein Meister seines Fachs!"
Der Burgherr Jonas nickt nachdenklich. "Ja, ja, es könnten
wunderbare Zeiten sein, wenn wir uns nicht ständig Sorgen machen
müssten auf Schallerburg."
ANJA sieht ihn fragend an. "Was bereitet euch denn solchen
Kummer?"
"Ein gemeines und hinterlistiges Gespenst treibt seit einigen
Wochen
sein Unwesen auf meiner Burg", sagt der Burgherr Jonas betrübt.
"Ihr
könnt euch nicht vorstellen, was es schon alles angestellt hat!"
"Das musst du uns unbedingt erzählen!", fordert ANJA.
"Und zwar in allen Einzelheiten!", ergänzt ANTON.
Der Burgherr Jonas nickt. "Des Nachts, wenn wir alle friedlich
in
unseren Betten schlummern, schwebt dieser unverschämte Kerl aus
seiner Turmkammer und raubt uns den Schlaf! Das fiese Gespenst
öffnet Fenster und Türen, um den jaulenden Wind hereinzulassen!
Es
zieht uns die Bettdecken weg und kitzelt uns an den Füßen! Es
lässt
Schranktüren knarren und Stühle wackeln! Oh, ich sage euch, es
ist
einfach furchtbar!"
Nach dem Abendessen setzen sich ANJA und ANTON mit dem besorgten
Burgherrn Jonas an den warmen Kamin.
"Habt ihr dieses Gespenst schon einmal gesehen?", fragt ANJA.
Der Burgherr Jonas verneint. "Es ist leider völlig unsichtbar",
seufzt er.
"Deshalb kann es uns immer wieder auf üble Art und Weise
erschrecken.
Man denkt an nichts Schlimmes - und schon passiert es..."
"Wird das Gespenst auch in dieser Nacht wieder sein Unwesen
treiben?",
fragt ANTON.
"Das ist zu befürchten", antwortet der Burgherr Jonas. "Denn das
Biest
lässt wirklich keine Gelegenheit aus. Wahrscheinlich wird es
auch in
euer Zimmer schweben und euch ärgern..."
"So
weit wird es nicht kommen!", widerspricht ANJA energisch. "Denn
wir werden etwas dagegen unternehmen!"
Der Burgherr Jonas sieht sie entgeistert an. "Seid ihr verrückt?
Das ist
doch viel zu gefährlich!"
ANJA schüttelt den Kopf. "Ich werde dem Gespenst zusammen mit
ANTON
einen Besuch in der Turmkammer abstatten. Du kommst doch mit,
ANTON?"
ANTON nickt. "Das lasse ich mir auf keinen Fall entgehen!"
ANJA wendet sich wieder an den Burgherrn Jonas. "Du könntest uns
einen
kleinen Gefallen tun. Für dieses Abenteuer brauchen wir
unbedingt
richtige Ritterrüstungen - man kann schließlich nie wissen..."
Glücklicherweise hat der Burgherr Jonas in seinem Besitz auch
zwei
kleinere Ritterrüstungen, die ANJA und ANTON wie angegossen
passen.
"Nun seid ihr vor möglichen Angriffen des Gespenstes bestens
geschützt", sagt der Burgherr Jonas zu ANJA und ANTON.
Er führt die beiden mutigen Kinder zu dem Turm der Burg, in dem
sich
das Gespenst in der obersten Kammer eingerichtet hat.
"Ich wünsche euch viel Glück!", verabschiedet sich der Burgherr
Jonas
von ANJA und ANTON. "Aber ehrlich gesagt, ich habe meine
Zweifel, ob
ihr das freche Gespenst zur Vernunft bringen könnt."
"Mach dir mal keine Gedanken", antwortet ANJA zuversichtlich.
"Wir
werden unser Bestes geben."
Es ist gar nicht so einfach, in voller Ritterrüstung über eine
schmale
Steintreppe nach oben zu der geheimnisvollen Turmkammer
hinaufzusteigen.
ANJA und ANTON kommen bei ihrem steilen Aufstieg deshalb nur
langsam
voran.
"Achtundneunzig, neunundneunzig, hundert!", zählt ANJA keuchend
die
letzten Stufen. "So, da wären wir!"
Sie geht ganz nah an die Tür der Kammer heran und klopft an.
"Hallo, liebes Gespenst!", ruft ANJA. "Dürfen wir hereinkommen?"
Doch sie erhält keine Antwort.
"Es ist sehr, sehr wichtig!", sagt ANTON. "Wir müssen unbedingt
mit dir
sprechen!"